23.07.2022
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Feuerwehr ist Ehrenamt im besten Sinne

Kreisbrandrat Christof Grundner zieht Bilanz – kritischer Ausblick auf die Zukunft - Klimawandel stellt das Feuerwehrwesen vor große Herausforderungen.   

Traunreut. Das Feuerwehrwesen im Landkreis Traunstein ist Ehrenamt im besten Sinne. In den 80 Feuerwehren zwischen Schnaitsee und Reit im Winkl, zwischen Chiemsee und Salzach engagierten sich 4721 Feuerwehrmänner und -frauen, ehrenamtlich und unentgeltlich, und sind rund um die Uhr bereit, um zu helfen, wenn der Piepser Alarm schlägt oder Sirenen zum Einsatz rufen. Im letzten Jahr rückten die Wehren zu 3887 Einsätze aus, leisteten technische Hilfe bei Verkehrsunfällen, retteten Menschen und löschten Brände, vom Altpapiercontainer bis zum Vollbrand landwirtschaftlicher Betriebsgebäude. Beim „Tag der Feuerwehr“ im k1, zu dem Feuerwehr-Führungskräfte aus dem gesamten Landkreis und aus dem benachbarten Österreich, Ehrengäste aus Politik und von Polizei sowie Hilfs- und Rettungsdienst gekommen waren, blickte Kreisbrandrat Christof Grundner auf das letzte Jahr zurück, informierte über den aktuellen Stand des Feuerwehrwesens und benannte die Herausforderungen, vor denen der Katastrophenschutz und die Notfallvorsorge im Zusammenhang mit dem Klimawandel stehen.

Von den insgesamt 3887 Einsätzen betrafen 2624 technische Hilfeleistungen. „Das spielt für uns Feuerwehren die Musik,“ so Grundner. Starkregen und Hagel, extreme Stürme, Überschwemmungen und Hochwasser - die Unwetteralarme lassen die Einsatzzahlen der technischen Hilfeleistung seit Jahren steigen. 834-mal gab es in 2021 Brandalarm. Grundner erinnerte an den Brand der Heizungsanlage im Untergeschoss des Landratsamtes, das Feuer in der Tiefgarage der Gewerblichen Berufsschule in Traunstein und den Brand von zahlreichen Wohnwagen auf dem Campingplatz in Übersee. Auch steigen die ABC-Einsätze mit Gefahrstoffen stetig an. 96 Einsätze hatten die Wehren im letzten Jahr zu bewältigen, um Mensch und Umwelt zu schützen. Die letzten beiden Jahre hat die Corona-Pandemie auch die Arbeit der Feuerwehren mitbestimmt. Die Feuerwehren mussten große Vorsorge treffen, um als Teil der kritischen Infrastruktur uneingeschränkt einsatzklar zu bleiben und trugen im Rahmen des Katastrophenalarms auch dazu bei, zum Beispiel Masken und Schutzausrüstung zu Städten und Gemeinden und zu Schulen zu transportieren.  

Erfreuliches konnte Grundner von der Jugendarbeit berichten. 1044 Mädchen und Buben sind in den Jugend- und Kinderfeuerwehren aktiv. Der Abwärtstrend der letzten Jahre konnte gestoppt und nach fünf Jahren erstmals wieder auf über 1000 Kinder und Jugendliche gewandelt werden. Enormen Anteil daran haben die intensiven und umfangreichen Werbemaßnahmen um den Feuerwehrnachwuchs. Er nannte die erfolgreiche Aktion „#wirfahrenrot“, die im letzten Jahr quer durch den Landkreis tourte und an sieben Stationen für die Jugendfeuerwehr und jungen Nachwuchs warb. Für die innovative Aktion gab es eine Auszeichnung des Bayerischen Staatsministerium des Innern für „Nachwuchswerbung im sicherheitsrelevanten Ehrenamt“. Die Zunahme im Jugendbereich tragen die sechs Kinderfeuerwehren (6 bis 12 Jahre) bei, von denen zuletzt die Kindergruppen in Tengling sowie Hart-Ising gegründet wurden. Der Frauenanteil bei der Feuerwehr nimmt beständig zu. Während im Bereich der Aktiven (ab 18 Jahre) bei 11 Prozent liegt, sind im Jugendbereich 37 Prozent Mädchen und bei den Kinderfeuerwehren bei 50 Prozent.  

Grundner machte deutlich, dass der abwehrende Brandschutz eine weitere bedeutende Aufgabe der Feuerwehr ist. Die sogenannte Brandschutzstelle gibt jährlich zu rund 140 Bauangelegenheiten Stellungnahmen ab, z.B. der Notwendigkeit von Brandmeldeanlagen, bei der Aufstellung von Einsatzplänen bei den jeweiligen Objekten. Ebenso werden die Sicherheitskonzepte für Veranstaltungen geprüft. Der Kreisbrandrat würdigte die Arbeit der 15 Fachbereiche und 20 Arbeitskreise im Kreisfeuerwehrverband. Über 160 Ehrenamtliche leisten dabei Basisarbeit und entwickeln das Feuerwehrwesen weiter. „Dabei gilt der Grundsatz, dass die Erfahrungen aus den täglichen Erfahrungen bewertet, verbessert und weiterentwickelt werden“, so Grundner. Besonders stolz ist der Kreisfeuerwehrchef auf die Ausbildung im Kreisfeuerwehrverband. Jährlich werden 175 Lehrgänge zu 45 verschiedenen Aus- und Fortbildungen geboten. Großes Engagement bringen die Ausbilder ein, ohne die das umfangreiche Angebot nicht möglich wäre. Ebenso dankte Grundner den Feuerwehren und Kommunen, bei denen die Lehrgänge dezentral veranstaltet werden.

Stellvertretende Landrätin Resi Schmidhuber würdigte die Feuerwehren im Landkreis Traunstein. „Die Feuerwehren sind ganz, ganz wichtig und immer zur Stelle, wenn Mitmenschen in Not sind, bei Bränden, Verkehrsunfällen und Umweltkatastrophen.“ Der Landkreis Traunstein lebe vom Ehrenamt und der Bereitschaft für Andere da zu sein. „Die Wehren mit ihren über 4700 Aktiven stehen für Verantwortungsbewusstsein, Sorgfalt, Solidarität ein und sind damit eine tragende Säule des gesellschaftlichen Lebens.“ Miteinander statt gegeneinander – von diesem Prinzip seien die Feuerwehren geprägt. Katastrophen könne man nur gemeinsam bewältigen, zeigte sich Schmidhuber überzeugt. Die Feuerwehren stellen dazu ihre Fachkompetenz mit allen ihren Aktiven. Der Landkreis sorge für die Technik und Ausrüstung und investiert jährlich rund 1,5 Millionen Euro für den Brand- und Katastrophenschutz.   

Reinhold Schroll, 2. Bürgermeister der Stadt Traunreut freute sich, das der „Tag der Feuerwehr“ in Traunreut stattfindet. „Die Feuerwehren leisten 365 Tage und 24 Stunden am Tag einen unschätzbar wertvollen Dienst für die Gesellschaft.“ Dafür zollte er allen Aktiven Respekt und dankte für den ehrenamtlichen Dienst am Menschen. Polizeihauptkommissar Thomas Zach von Polizeipräsidium Oberbayern Süd betonte, wie wichtig die Feuerwehren als Partner der Polizei sind. „Wir brauchen die Feuerwehr, ob Busunfall, bei dem Menschen zu retten sind oder bei einem schweren Unwetter, die Feuerwehren sind zur Unterstützung und Amtshilfe für die unverzichtbar.“ Zach würdigte die Feuerwehren und ihre Einsatzkräfte für die stets verlässliche und gute Zusammenarbeit.

Mit einem Ausblick auf die Herausforderungen der kommenden Jahre machte Kreisbrandrat Grundner deutlich, dass sich besonders im Bereich des Bevölkerungsschutzes vieles ändern müsse und mehr Investitionen in den Katastrophenschutz notwendig seien. Die Auswirkungen des Klimawandels seien an den steigenden Zahlen technischer Einsätze nach Unwettern und Naturkatastrophen auch im Landkreis Traunstein deutlich erkennbar. Die Abstände zwischen den Unwetterereignissen verkürzen sich und die Heftigkeit und deren Folgen nehmen zu. Die Erkenntnisse aus der Hochwasser-Katastrophe im Ahrtal, die sich in diesen Tagen jährt, lassen sich fast ausnahmslos auch auf den Landkreis Traunstein übertragen. Viele der notwendigen Maßnahmen seien schon bekannt, es fehle jedoch an der Umsetzung, mahnte Grundner. 

Verbessert werden müsse die Bewarnung der Bevölkerung und die Alarmierung. Sirenen sollen reaktiviert und neue, auch mobile Anlagen, müssen gebaut werden. Dazu hat der Bund ein Förderprogramm aufgelegt. Es bestehe jedoch enormer Aufklärungsbedarf der Bevölkerung, denn kaum jemand kenne die Sirenensignale und was sie bedeuten. Auch die Kommunikationsinfrastruktur müsse enorm verbessert werden, so die Forderung Grundners. Der Digitalfunk funktioniere nicht so, wie es für eine sichere Kommunikation bei Flächeneinsätzen erforderlich sei. Die digitale Alarmierung lasse nach wie vor auf sich warten. Weiters fehle eine bayernweit einheitliche Führungssoftware.

Für den Hochwassereinsatz habe der Landkreis Traunstein vier Hochleistungspumpen beschafft. Das sei ein erster wichtiger Schritt, lobte der Kreisbrandrat. Weitere Beschaffungen wie Tauchpumpen und Wassersauger seien jedoch ebenfalls von Nöten, ebenso eine finanzielle Förderung für die Beschaffung einer Zweitausstattung an Schutzkleidung. „Beschaffungsprozesse dauern viel zu lange“, kritisierte der Kreisbrandrat. So sollte, zum Beispiel, jeder Landkreis in Bayern einen Versorgungs-Lkw Hochwasser bekommen, vom Freistaat Bayern gefördert. 20 der 96 Landkreise, darunter auch Traunstein, wurden aber vergessen. „Die Schneeketten für das Fahrzeug liegen schon seit vier Jahren in meinem Büro – der Versorgungs-Lkw selbst soll in diesem Jahr endlich geliefert werden.“ Mehr getan müsse, was die Förderung der Selbsthilfe und Resilienz der Bevölkerung betrifft. „Die Hilfslosigkeit ist manchmal erschreckend. Bei zwei Zentimeter Wasser im Keller wird die Feuerwehr gerufen, obwohl die Hausbesitzer dies auch selbst beseitigen könnten,“ ist Grundner überzeugt.   

Kritik übte der Kreisbrandrat an den drei Staatlichen Feuerwehrschulen (SFS) in Bayern. Gerade mal fünf Prozent des Lehrgangsbedarfs im Landkreis Traunstein werde durch die Feuerwehrschulen gedeckt. Mehr Ausbildungsplätze sind dort nicht zu bekommen. Um einen einzigen Lehrgang an der SFS besuchen zu können, müsse jeder aktive Feuerwehrdienstleistende im Landkreis 19 Jahre warten. Ohne das umfangreiche Aus- und Fortbildungsangebot auf Landkreisebene, das der Kreisfeuerwehrverband in Eigenregie bietet und mit dem jährlich rund 2300 Dienstleistende ausgebildet und geschult werden, wäre es um die Qualifizierung der Floriansjünger schlecht bestellt. „Wir müssen die Ausbildung unserer Dienstleistenden selbst organisieren und dafür sorgen,“ betonte der Kreisfeuerwehrchef. Die Politik sei gefragt an den Feuerwehrschulen Änderungen herbeizuführen, mit einer Ausweitung der Lehrgangsangebote, deutlich weniger bürokratischem Aufwand und mehr Verbindlichkeit, denn zu viele Kurse werden kurzfristig abgesagt, was bei den Arbeitgebern der Feuerwehrdienstleistenden zu Unverständnis führt. 

Ein Impulsvortrag von Florian Ramsl, Referent für Feuerwehrwesen bei der Versicherungskammer Bayern, bestätigte Grundners Sorgen und Forderungen. Das letzte Jahr sei in Bayern das bisher teuerste Schadensjahr gewesen. Mehr als 30.000 Schadensmeldungen gingen ein, mit einer Schadensumme von 330 Mio. Euro. Privat könne jeder Hausbesitzer vorsorgen. Nur die Hälfte der Gebäude in Deutschland seien ausreichend gegen Naturkatastrophen versichert, in Bayern nur 41 Prozent. Die Versicherungskammer unterstütze die Feuerwehren mit spezieller Ausrüstung und Ausstattung, gerade für Unwettereinsätze. An Kreisbrandrat Grundner überreichte Ramsl einen ersten Wasserschlucker, eine kompakte, faltbare Plane, die den effektiven Einsatz einer Tauchpumpe unterstützt.

Am Ende der Veranstaltung kritisierte der Kreisbrandrat die mangelnde Würdigung und Anerkennung des Ehrenamtes. Die Bemühungen eine bundesweit einheitliche Feuerwehr-Rente einzuführen, wäre ein bedeutender Schritt, doch bisher gebe es nur einige wenige Kommunen, die für eine nachhaltige Belohnung ehrenamtlichen Feuerwehrdienstes eintreten. „Wer ein Leben lang als Feuerwehrdienstleistender ehrenamtlich tätig ist, sollte Rentenpunkte erhalten.“ Grundsätzlich sollte hinsichtlich der Anerkennungskultur für das Ehrenamt mehr getan werden, so Grundners Appell. Erfreulich sei, dass im Bayerischen Feuerwehrgesetz nun geregelt ist, dass auch Dienstleistende mit 50-jähriger Dienstzeit einen Freiplatzgutschein im Feuerwehrerholungsheim erhalten. Musikalisch begleitet wurde der Feuerwehr-Ehrenabend von der Daxnschnoata Tanzlmusi. pv.

Text: Peter Volk

Bilder: Peter Volk, Wolfgang Gasser, Kreisfeuerwehrverband Traunstein